Frauenfußball EM 2022
5 Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball

Wie sich die Spiele unterschieden und in welchen Bereichen die Fußballerinnen ihren männlichen Kollegen voraus sind.
5 Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball
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Die UEFA Women's Euro in England ist in vollem Gange. Zum Start des Turnieres forderten einige Spielerinnen, darunter Torhüterin Almuth Schuldt, auf den Begriff "Frauenfußball" zu verzichten. Er impliziere, dass der „echte“ Fußball von Männern gespielt wird und Frauen eben keinen echten Fußball spielen. Das stimmt natürlich nicht. Trotzdem gibt's ein paar objektive Unterschiede zwischen dem Fußball der Frauen und dem der Männer:

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Männer legen in einem Fußballspiel durchschnittlich um 23 Prozent größere Distanzen im Sprint zurück als Frauen.

Physis und Tempo

Männer sind im Durchschnitt größer, schwerer und haben mehr Muskelmasse als Frauen. Dadurch können sie härter schießen und schneller und mehr sprinten. Das Spiel ist insgesamt schneller.

Das muss kein Nachteil sein. Es gibt Theorien, dass genau deshalb Frauenfußball irgendwann interessanter sein könnte als Männerfußball. Der Grund: Die männlichen Fußballer könnten irgendwann zu schnell und athletisch werden, sodass es kaum noch Spielzüge gibt sondern übermäßig viel "planloses Rumkämpfen und Rumgekicke im Mittelfeld". Im Gegensatz dazu könnte der Frauenfußball mit seinen Spielzügen dann interessanter sein. Den ganzen Artikel dazu lest ihr hier.

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Für den Titelgewinn würden die DFB-Frauen eine Prämie von 60.000 Euro pro Spielerin bekommen. 2017 wären es nur 37.500 Euro gewesen.

Geld

Die Schere zwischen männlichen und weiblichen Profis ist im Fußball absurd hoch: Bei der aktell laufenden EM gibt es insgesamt 16 Millionen Euro an Prämien für die Spielerinnen von der UEFA. Zum Vergleich: Bei der EM der Männer 2021 gab es 331 Millionen für die Spieler. Übrigens: Im Gegensatz zum DFB zahlen die Verbände in den Niederlanden und Schweden den Frauen die gleichen Prämien.

In Sachen Gehälter der Vereine fordert übrigens fast niemand im Frauenfußball Gleichstellung mit den Männern - zu astronomisch die Summen. Vielmehr wird gerade über einen Mindestlohn in der 1. und 2. Liga diskutiert.

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    Nicht nur bei den Profis, auch im Amateurbereich fallen Frauen-Teams so gut wie nie mit Pöbeleien, (Schiedsrichter-)Beleidigungen und Gewalt auf.

    Sportsgeist

    Frauen provozieren, diskutieren und schauspielern weniger im Spiel. Das berichten auch Schiedsrichter, die Männer- und Frauenspiele pfeifen, wie zum Beispeiel Franziska Koch. Das Interview mit der Schiedsrichterin lest ihr hier. Natürlichkann man hier nicht per se verallgemeinern, auf beiden Seiten gibt es Ausnahmen.

    Das Phänomen ist aber sogar wissenschaftlich belegt: In einer Studie aus dem Jahr 2011 stellten Wissenschaftler fest, dass Frauen das Spiel nach Unterbrechungen nach durchschnittlich 54 Sekunden fortsetzen, wärend Männer dazu 79 Sekunden brauchen. Und woran liegt das jetzt? Spielanalyst Malte Siegle aus dem Forschungsteam vermutet: "Entweder nehmen die Frauen beim Spielen mehr Rücksicht aufeinander und verletzen sich dadurch weniger oder die Männer setzen einfach mehr auf den Showeffekt und machen noch ein, zwei Rollen mehr am Boden, um den Schiedsrichter dazu zu bringen, die gelbe oder rote Karte gegen den Gegner zu zücken." Den ganzen Artikel dazu lest ihr hier.

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      Die ehemalige DFB-Torhüterin Nadine Angerer (li.) war auch zu ihrer aktiven Zeit schon mit Ehefrau Magdalena zusammen.

      Authentizität

      Im Gegensatz zu vielen ihrer männlichen Kollegen zeigen sich Fußballerinnen oft nahbarer und artikulieren offener politische Haltungen. Männliche Profis stehen unter enormer medialer Beobachtung und wirtschaftlichem Druck vonseiten der Vereine und Sponsoren, aktivistische oder politische Äußerungen sind für sie oft nicht so leicht möglich.

      In besonderem Maße lässt sich das am Thema Homosexualität beobachten. Im Profi-Männerfußball noch immer ein Tabu - bis heute gibt es keinen geouteten aktiven Bundesliga-Spieler. Im Frauenfußball dagegen ist die Akzeptanz deutlich höher, viele Spielerinnen, wie die Amerikanerin Megan Rapinoe, setzen sich aktiv für die Rechte der LGBTQ-Community ein.

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      Bundestrainerin Voss-Tecklenburg legte gerade wieder "den Finger in die Wunde" und kritisierte die UEFA für den ungleichen Umgang bei den Männer- und Frauen-Turnieren in Sachen Kadergröße während der Corona-Pandemie.

      Wertschätzung

      Obwohl Profi-Spielerinnen genausoviel und so intensiv trainieren, wie männliche Spieler, erfahren sie nicht den gleichen Respekt. Viele müssen selbst in der Bundesliga nebenbei arbeiten.

      Auch bei der EM gibt es nicht die gleiche mediale Aufmerksamkeit. Es gibt keine Stickeralben, großflächige Werbungen, kaum Public Viewing, die Protagonistinnen sind weniger bekannt. Viele wissen gar nicht, dass gerade ein Turnier stattfindet.

      Fazit: Frauen haben andere körperliche Voraussetzungen, die sich auch in der Dynamik des Spiels widerspiegeln. Auf der anderen Seite bietet der Wegfall des großen medialen und wirtschaftlichen Drucks, unter dem der Männerfußball steht, Raum für mehr Authentizität und Offenheit. Da Frauenfußball als Sportart außerdem erst vergleichsweise jung ist, ist damit zu rechnen, dass die Professionalisierung und auch die Anerkennung in Zukunft steigen werden.

      Die aktuelle Ausgabe
      02 / 2022